Die Ausstellung „Chroniken des Unsichtbaren“ stellt Werke der Künstlerin Judith Nicolussi und des Fotografen Andreas J. Hirsch gegenüber. Die in ihrer materiellen Gestalt und Ästhetik durchaus unterschiedlichen Arbeiten treten dabei in einen kontrapunktischen Dialog, der zugleich die intensiven Querbezüge zwischen der Arbeitsweise und auch formalen Aspekten der beiden Werkgruppen spürbar macht.
Andreas J. Hirsch – Notes from the Island. Photography
„Notes from the Island (Notizie dall‘ isola)“, ein Projekt des Wiener Fotografen und Autors Andreas J. Hirsch, ist eine poetische und zugleich kritische Auseinandersetzung mit der Insel Sardinien. Das Projekt entstand in den Jahren 2016 und 2017 im Rahmen einer Artist Residency bei der Galleria Cult in Alghero und Bosa mit Dr. Valentina Piredda als Kuratorin. Arbeiten aus der Serie wurden 2017 im Museo Casa Manno, Alghero, und 2021 im Museo Casa Deriu, Bosa, gezeigt.
Die Serie enthält Beobachtungen aus den zwischen Mittelalter und Renaissance oszillierenden Gassen von Bosa, dem faschistischen Ambiente der von Mussolini gegründeten Retortenstadt Fertilia, dem ehemaligen Mafia-Gefängnis auf der kleinen Insel Asinara vor der sardischen Küste und der von Touristen wimmelnden Altstadt von Alghero.
Das Projekt „Notes from the Island“ ist Teil der flanierenden, von Ideen des Situationismus und Strategien der Psychogeografie inspirierten fotografischen Serien von Andreas J. Hirsch, die von seinen Erkundungen urbaner Landschaften handeln. Die Serie verbindet Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografie mit Textfragmenten von Dante zu einer Reflexion der vielfältigen kulturellen und historischen Tiefenschichten dessen, was als der sardische Aspekt der „Italian Condition“ gelten kann.
Judith Nicolussi – From the Margins. Mixed Media
Die Werke von Judith Nicolussi sind Ergebnis und Ausdruch einer weitereichenden Spurensuche. Sie erkundet mit ihren Bildern, die in einer Mischtechnik aus Collagen und Malerei entstehen, externe Räume des Urbanen und innere Räume der Psyche. Zunächst leere Räume der Erinnerung werden mit einem Zugewinn an neuer Information erfüllt.
Die von Judith Nicolussi aufgetragenen Schichten der Collagen aus gefundenen Artefakten der Kultur korrespondieren dabei den vielfältigen Schichten, aus denen sich die Wirklichkeit immer wieder neu zusammensetzt. Ihr Arbeitsprozess schreitet von Abstraktion und Dekonstruktion zu einem neu- en Vorstellungsbild voran, das sich erst im Zuge der künstlerischen Arbeit einstellt.
Judith Nicolussi versteht ihre Kunst als Kommentar zur vorgefundenen Welt und zur Kultur mit allen ihren Bruchlinien. Ihr besonderes Interesse gilt dabei den Querverbindungen zwischen Dingen, deren Zusammenhang nicht bereits offensichtlich ist. Die Bilder sind der Versuch, die Dinge so zu zeigen, wie sie unter der Oberfläche sind – in manchen Fällen in durchaus visionärer Weise, wie nach den Vorstellungen der Künstlerin sein sollten.
Viktoria, Vienna, April 2024
Curator’s Talk
by Dr.in Valentina Piredda-Sardinia (Galleria CULT, Alghero, Sardinia)